Both Sides Now

Markgrafenstraße, Berlin 1990

Bei der Arbeit an meinem Beitrag zur diesjährigen Ausstellung im «Fotohaus ParisBerlin» Arles entdeckt: Ein Satz Bilder von einem Stück Mauer in der Markgrafenstraße in Berlin Mitte aus dem Sommer 1990. Dies war kein Teil der «richtigen» Mauer, sondern der rückwärtigen Anlagen und lief rechtwinklig zu ihr in Richtung Osten. In der Montage der zwölf Einzelaufnahmen kann man deswegen hier gleichzeitig hinter der Frontalansicht dieser Mauer links den Osten (die Hochhäuser der Leipziger Straße) und rechts den Westen (das Springer-Hochhaus hinter dem Altbau) sehen.

Interessant ist die schon 1990 offensichtliche Präsenz der ganzen Palette von Rechten: bekennende Nazis, BFC-Hooligans und Republikaner. Wie «$nicker$» politisch einzuordnen ist, weiß ich allerdings nicht. Viel mehr interessiert mich jedoch, wer sich hinter dem Signum «GZ» verbirgt, der wahrscheinlich der Urheber der wunderschönen Grafittis ist, derentwegen ich die Mauer überhaupt fotografiert habe. Für Hinweise bin ich dankbar!


Respekt: Haus der Statistik

Kartenkalender «Respekt» zum Haus der Statistik, WBM Berlin, 2018

Aufmerksamen Berlinern und Berlin-Besuchern wird sicher das ehemalige ‹Haus der Statistik› am Alexanderplatz bekannt sein, und viele werden sich gefragt haben, was mit diesem riesigen Komplex los ist. Seit über zehn Jahren stehen die Gebäude leer. Jetzt haben sie wieder eine Perspektive, nachdem sie aus dem Besitz des Bundes an die Stadt Berlin übergegangen sind. Eine Initiative aus 5 Beteiligten – der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, dem Bezirksamt Berlin-Mitte, der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte, der Berliner Immobilienmanagement sowie der ZUsammenKUNFT Berlin eG – arbeitet seit Januar 2018 an der gemeinwohlorientierten Entwicklung des Standortes. Zusammen mit dem Fotografen Andreas Böttger durfte ich mehrmals unter den wachsamen Augen eines Security-Mannes durch das Haus gehen und fotografieren. Dass die Ergebnisse die WBM dermaßen überzeugten, dass sie beschloss, je einen Kalender mit einer Auswahl unserer Bilder zu produzieren, freut uns sehr, denn so müssen wir nicht erst die Eröffnung des wiedererwachten Komplexes abwarten, um sie zu zeigen. Die beiden Kalender gibt es zusammen in einer Schachtel, die die jeweils 13 A5-Karten (12 Monate + ein Fotografenprtät) enthält sowie eine genial spartanische Aufhängevorrichtung. Zu haben ist er in der Werkstatt ‹Haus der Statistik› (ehemals Fahrrad-Flöckner); das ist der kleine Pavillion an der Karl-Marx-Allee-Seite des HdS.

Tagesspiegel, 16. September 2018

… mit Dank an Matthias Reichelt.

Nachrufe:
Expose Verlag (Hansgert Lambers)
taz, die tageszeitung (Jörg M. Colberg)
Freelens (Andreas Trogisch)
Perlentaucher (Peter Truschner)
oks.lab (Andreas Trogisch)
Wanderer Werbedruck (Jochen Wanderer)
Fotofeinkost (Martina Mettner)
Buchmarkt.de
Kunstforum
Deutschlandfunk Kultur
Neue Schule für Fotografie, Berlin
The PhotoBook Journal (Gerhard Clausing)
Grossformatfotografie
Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh)
Conscientious Photography (Jörg M. Colberg)
Der Tagesspiegel (Tatjana Wulfert)
Eikon (Matthias Reichert)
Paper News/Women’s Special (Mary Frey, Maren Mittenzwey)
Camera Austria (Maren Mittenzwey)
Photonews (D.B. + A.G.)

Hannes


Ein Maniac ist gegangen.
Einer, wie es wirklich wenige gibt. Von wie vielen wird behauptet, sie würden für ihre Mission leben – bei diesem traf es zu. Er hatte eine Leidenschaft, und die war ausschließlich. Sie war nicht das abseitige Hobby eines vom Leben Enttäuschten. Im Gegenteil – er hatte schon eine erfolgreiche Karriere hinter sich, als er sich auf das zu konzentrieren begann, was ihm wirklich wichtig war: die Fotografie und ihre Repräsentation in Buchform – und es wurde seine zweite Erfolgsgeschichte: Über 100 Titel sind in seinem Verlag Peperoni Books erschienen. Da spielte eine fämiliäre Disposition eine große Rolle, denn immerhin war er wie Vater und Bruder gelernter Drucker*. Aber er war eben auch Fotograf und, das ist für die weitere Geschichte wichtig, ein an der Arbeit anderer Fotografen Interessierter. „Hannes“ weiterlesen

Da war noch was …

Uwe & agnès b., Berlin 1987

Genau für so etwas gibt es Veranstaltungen wie die «Rencontres de la photographie d’Arles»: Man kommt ins Gespräch mit Leuten, mit denen man (leider) vorher noch nicht zu tun hatte, und stellt verblüfft fest, dass man schon früher voneinander hätte wissen sollen. Zum Beispiel Angelika und Markus Hartmann von Hartmann Projects, die bei der Arbeit an Ausstellung und Katalog zur DDR-Modezeitschrift «Sibylle» auf ein kleines Seitenthema gestoßen sind: 1987 brachte der französische Kulturattaché in Ostberlin zwei Strickjacken von agnès b. aus Paris mit und ließ sie unter den ostberliner Fotografen kreisen, damit sie damit Fotos machen. Als Markus erwähnte, dass nicht alle der beteiligten Fotografen bekannt wären, konnte ich mich stolz outen: Auch ich hatte, zusammen mit meinem Kommilitonen Uwe Hauth (ich studierte damals noch), die Jacken für einen Nachmittag.

Maila & agnès b., Berlin 1987

Die «Sibylle» brachte 1988 einen großen Beitrag mit vielen der dabei entstandenen Bilder; unter anderem von Gundula Schulze, Maria Sewcz oder Stephan Gustavus – meine liegen aber wie die von vielen anderen Beteiligten unpubliziert seit über 30 Jahren im Archiv.

[SPACE] in den Deichtorhallen Hamburg

Deichtorhallen, Hamburg 2018. © Henning Rogge (1), Andreas Trogisch (2)
Zur Triennale der Photographie Hamburg 2018 hat die Kuratorin Sabine Schnakenberg unter dem handlichen Titel «Breaking Point: [SPACE] Street. Life. Photography/Street Photography aus sieben Jahrzehnten» etwa 320 Arbeiten von 52 Fotografen zusammengestellt, die sich seit den 1950er Jahren mit dem Leben in der Stadt auseinandergesetzt haben – mit den Menschen, den Räumen, der Öffentlichkeit und der Anonymität, der Bewegung, den Unfällen, den Zeichen und dem Material. Die Liste der Künstler reicht von Diane Arbus über Lee Friedlander und Stephen Shore bis zu Wolfgang Zurborn, und irgendwo gegen Ende steht – ich glaube es immer noch nicht richtig – zwischen Wolfgang Tillmans und Dougie Wallace auch mein Name. Ich durfte drei Zahlen aus der Serie der «Runway/Signs» vom ehemaligen Flughafen Tempelhof beisteuern. Zwar nur drei – aber dafür über 7 Quadratmeter groß! „[SPACE] in den Deichtorhallen Hamburg“ weiterlesen

Das war’s dann …

Das Ende einer ganzen Kunstgattung, der Straßenfotografie, kam gerade  mit der Geschwindigkeit und Unabweisbarkeit einer Diesellok: Die (digitale) Fotografie von Menschen in der Öffentlichkeit wird in wenigen Tagen nicht mehr möglich sein ohne vorherige schriftliche Einwilligung der Abgebildeten. Das ist die für Fotografen wichtigste Auswirkung der neuen «Datenschutzgrundverordnung», die uns alle vor dem Mißbrauch unserer Daten schützen soll. Die Paranoia in Bezug auf das Fotografiertwerden, die in den letzten Jahren sowieso schon grassierte, erhält jetzt einen handfesten Hintergrund; mit Strafandrohung von bis zu 20 Millionen Euro.

Wahrscheinlich wird es aber nicht die Betreiber von Überwachungsanlagen – demnächst auch mit Gesichtserkennung – treffen, sondern irgendeinen ahnungslosen Amateur, der mit dieser Art Fotografie sein Geld verbraucht (denn verdienen ließ sich auf diese Weise wohl noch nie welches).

Die Auswirkungen des Gesetzes werden hier beschrieben, wo auch darauf hingewiesen wird, dass unsere Bundesregierung ausdrücklich nicht tätig werden wollte, um Rechtssicherheit zum Schutz der Meinungs- und Kunstfreiheit zu schaffen.

Update (8.5.2018): Wie der Berufsverband der Freien Fotografen und Filmgestalter (BFF) in einer Mitteilung schreibt, soll das sogenannte Kunstfreiheitsgesetz, das diesen Bereich bisher geregelt hat, weiterhin angewendet werden und nicht von der neuen Richtlinie verdrängt werden. Dazu zitiert die Verbandsjustiziarin eine Auskunft des Bundesheimatmuseums, pardon, des «Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat».