Durch den unglücklichen Umstand der Auflösung des Fotobuchladens «25books» nach dem Tod von Hannes Wanderer habe ich verloren geglaubte Restbestände einiger meiner Bücher übernehmen können, die ich also jetzt über meinen eigenen Webshop verkaufe: «Aphasia», «Runway» und «Vineta».
Und wegen des guten Lagerbestands gibt es das Heft «Technik» aus der «Desiterata-Reihe» aktuell nicht zum Wucherpreis von 40,– €, sondern zum ursprünglichen Ladenpreis von 20,– €.
Kategorie: Allgemein
Planerfüllung
Das Vergangene ist nicht nur nicht tot, sondern es wird anscheinend immer wieder neu erschaffen. Dieser Gedanke kommt mir, wenn ich mir das Durchnittsalter der in der Ausstellung «Von Ferne. Bilder zur DDR» vertretenen Künstler ansehe; manche von ihnen haben das Ende der DDR nur als Kinder erlebt, einer ist sogar erst zwei Jahre später geboren, mehrere haben die DDR, weil zu jung und aus den Niederlanden, Japan oder Westdeutschland stammend, überhaupt nie live gesehen. Notwendigerweise können dann nicht alle der hier gezeigten Bilder authentische in-situ-Eigenschöpfungen sein; die sind sogar gefühlt in der Minderzahl. Aber genau das ist ja auch der Punkt der Ausstellung: Die Wieder- oder Neuaneignung von Bildern; und das müssen nicht notwendigerweise die eigenen sein.
Aus der Position des Nicht-Mehr-Ganz-Betroffen-Seins ließe sich das Phänomen DDR eigentlich ganz entspannt betrachten, aber die Stasi ist Thema nicht nur bei der 1953 geborenen Gabriele Stötzer oder der 1950 geborenen Christine Schlegel, sondern z.B. auch beim Westdeutschen Simon Menner, der 1989 elf Jahre alt war. Er entwickelt seinen Beitrag, wie auch mehrere seiner In-Etwa-Altersgenossen aus gesuchtem und gefundenem Material vom berühmten ‹Abfallhaufen der Geschichte›: hier dem Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde, bei anderen VEB-Werksarchive – zugänglich geworden durch die Geschäftsaufgabe eines ganzen Landes.
Es gibt auch Stasi in lustig zu sehen, wie die Fundberichte über Ballons zum Abwurf westlichen Propagandamaterials, die Jens Klein duch Zufall bei der Recherche nach einem unaufgeklärten Bankraub (ja, das gabs tatsächlich auch im Sozialismus) ausgegraben hat und die mich an Hans Richters fliegende Hüte denken lassen. Ebenfalls schön sind die Ansichtskarten aus der Sammlung von Erasmus Schröter, die die Ansätze von Pillers Archiv und Parrs «Boring Postcards» geradezu stilvoll veredeln.
Mit zunehmendem historischen Abstand entschwebt die böse alte Hexe Stasi ins Sagenhafte, wieder und wieder von den Nachgeborenen hervorgezaubert; aber anders als im Märchen kann man ihre Knochen tatsächlich sehen und anfassen. Der Themenkomplex Flucht & Auswanderung ist auch gut vertreten – das ganze Schreckliche auszubalancieren gegen den gewöhnlichen Alltag ist wohl eine Kunst, die niemand kann. Natürlich war die DDR eine einzige Beleidigung; für den Freiheitswillen seiner Bürger, für das ästhetische Empfinden jedes wahrnehmungsfähigen Menschen, aber – und das immer noch – auch für die bräsige Gewissheit des Westens, dass das private Eigentum an Immobilien und Produktionsmitteln die Garantie für das Glück des Menschen sei.
Vielleicht kommt einmal die Zeit, in der der respektvolle, nicht-propagandistische Umgang mit den künstlerischen Zeugnissen der DDR die Norm sein wird. Ein beherzter Schritt in diese Richtung ist hier schon einmal getan. Eine Garantie für das Reifen einer mittleren Sichtweise ist das allerdings nicht. Aber ich schweife ab …
Fotografie-Fotografie, eigenhändig gemacht in der DDR, gibts nur von wenigen; mein Beitrag kommt mir in diesem Licht gesehen schon fast provozierend randständig-konventionell vor; außer mir haben das nur Tina Bara, Seiichi Furuya, Einar Schleef und Ulrich Wüst im Programm.
Gerade Wüsts Bilder, zumal als endlose Leporellos, faszinieren mich immer wieder; seine Bilder gehörten in den frühen achtzigern zum Wenigen, was mir in der DDR-Fotografie beachtenswert vorkam und Orientierung bot.
Auch das einstündige Künstlergespräch zur Ausstellungseröffnung reichte nicht ansatzweise aus, um alle Aspekte dieser komplexen Schau anzusprechen. Die interessante Beobachtung beispielsweise, dass in vielen Beiträgen unbewusst das Spannungsfeld von Nähe und Ferne verhandelt wird, kam mir leider erst, als das Mikro schon wieder zu war und sich alle auf den Weg zum vorzüglichen Italiener gegenüber aufmachten.
Ich bin froh, in diesem anregungsreichen Projekt vertreten zu sein, in diesen unglaublichen Räumen ausstellen zu können, so umsichtig und freundlich betreut zu werden von der Kuratorin Sabine Schmid und dem Direktor des Museums, Michael Buhrs.


«Von Ferne. Bilder zur DDR»
Museum Villa Stuck
Prinzregentenstraße 60, 81675 München
Ausstellungsdauer: 6. Juni–15. September 2019
Dienstag bis Sonntag 11–18 Uhr,
erster Freitag im Monat bis 22 Uhr
Mit Beiträgen von Tina Bara, Seiichi Furuya, Tamami Iinuma, Sven Johne, Jens Klein, Jürgen Kuttner, Christian Lange, Emanuel Mathias, Katrin Mayer, Simon Menner, Einar Schleef, Christine Schlegel, Joachim Schmid, Erasmus Schröter, Maya Schweizer, Gabriele Stötzer, Paul Alexander Stolle, Elisabeth Tonnard, Andreas Trogisch, Joerg Waehner und Ulrich Wüst.
Kinder, Autos, Möbel: Von Ferne

Bald ist es so weit: am 5. Juni eröffnet die Ausstellung «Von Ferne. Bilder zur DDR» in der Villa Stuck in München. Die Bilder sind fertig (die Aufnahmen seit 1982 bis 1990, die neuen Prints seit letzter Woche), der Katalog ist auf der Zielgeraden.
Möglich, dass einigen der Ausstellungstitel bekannt vorkommt: Der ist nämlich von meinem ersten, 2010 bei Peperoni erschienenen Fotoheft «Von Ferne» entliehen, was mich direkt ein wenig stolz macht.
«Von Ferne. Bilder zur DDR»
Museum Villa Stuck
Prinzregentenstraße 60, 81675 München
Eröffnung: 5. Juni 2019
Ausstellungsdauer: 6. Juni–15. September 2019
Dienstag bis Sonntag 11–18 Uhr,
erster Freitag im Monat bis 22 Uhr
And one winner is …

… der Kalender «Respekt»! Beim Gregor Calendar Award des Graphischen Klubs Stuttgart ist der Fotokalender zum Haus der Statistik mit dem Photo Award ausgezeichnet worden! Ich bedanke mich bei allen Mitwirkenden an diesem Projekt, besonders bei Steffi Pianka von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (Berlin), die den Kalender konzipiert hat und mich mit meiner Bilderserie dazu eingeladen hat.
Update: Wegen des großen Anklangs sind von dem Kalender eben noch einmal 1000 Stück nachproduziert worden! Echte Sammler besitzen natürlich beide Auflagen, denn bei der zweiten habe ich das Bild auf der Porträtkarte ausgetauscht; es ist jetzt – natürlich – eins aus dem Haus der Statistik.
Both Sides Now

Bei der Arbeit an meinem Beitrag zur diesjährigen Ausstellung im «Fotohaus ParisBerlin» Arles entdeckt: Ein Satz Bilder von einem Stück Mauer in der Markgrafenstraße in Berlin Mitte aus dem Sommer 1990. Dies war kein Teil der «richtigen» Mauer, sondern der rückwärtigen Anlagen und lief rechtwinklig zu ihr in Richtung Osten. In der Montage der zwölf Einzelaufnahmen kann man deswegen hier gleichzeitig hinter der Frontalansicht dieser Mauer links den Osten (die Hochhäuser der Leipziger Straße) und rechts den Westen (das Springer-Hochhaus hinter dem Altbau) sehen.
Interessant ist die schon 1990 offensichtliche Präsenz der ganzen Palette von Rechten: bekennende Nazis, BFC-Hooligans und Republikaner. Wie «$nicker$» politisch einzuordnen ist, weiß ich allerdings nicht. Viel mehr interessiert mich jedoch, wer sich hinter dem Signum «GZ» verbirgt, der wahrscheinlich der Urheber der wunderschönen Grafittis ist, derentwegen ich die Mauer überhaupt fotografiert habe. Für Hinweise bin ich dankbar!
Respekt: Haus der Statistik
Kartenkalender «Respekt» zum Haus der Statistik, WBM Berlin, 2018
Aufmerksamen Berlinern und Berlin-Besuchern wird sicher das ehemalige ‹Haus der Statistik› am Alexanderplatz bekannt sein, und viele werden sich gefragt haben, was mit diesem riesigen Komplex los ist. Seit über zehn Jahren stehen die Gebäude leer. Jetzt haben sie wieder eine Perspektive, nachdem sie aus dem Besitz des Bundes an die Stadt Berlin übergegangen sind. Eine Initiative aus 5 Beteiligten – der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, dem Bezirksamt Berlin-Mitte, der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte, der Berliner Immobilienmanagement sowie der ZUsammenKUNFT Berlin eG – arbeitet seit Januar 2018 an der gemeinwohlorientierten Entwicklung des Standortes. Zusammen mit dem Fotografen Andreas Böttger durfte ich mehrmals unter den wachsamen Augen eines Security-Mannes durch das Haus gehen und fotografieren. Dass die Ergebnisse die WBM dermaßen überzeugten, dass sie beschloss, je einen Kalender mit einer Auswahl unserer Bilder zu produzieren, freut uns sehr, denn so müssen wir nicht erst die Eröffnung des wiedererwachten Komplexes abwarten, um sie zu zeigen. Die beiden Kalender gibt es zusammen in einer Schachtel, die die jeweils 13 A5-Karten (12 Monate + ein Fotografenprtät) enthält sowie eine genial spartanische Aufhängevorrichtung. Zu haben ist er in der Werkstatt ‹Haus der Statistik› (ehemals Fahrrad-Flöckner); das ist der kleine Pavillion an der Karl-Marx-Allee-Seite des HdS.Tagesspiegel, 16. September 2018

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Hannes
Ein Maniac ist gegangen.
Einer, wie es wirklich wenige gibt. Von wie vielen wird behauptet, sie würden für ihre Mission leben – bei diesem traf es zu. Er hatte eine Leidenschaft, und die war ausschließlich. Sie war nicht das abseitige Hobby eines vom Leben Enttäuschten. Im Gegenteil – er hatte schon eine erfolgreiche Karriere hinter sich, als er sich auf das zu konzentrieren begann, was ihm wirklich wichtig war: die Fotografie und ihre Repräsentation in Buchform – und es wurde seine zweite Erfolgsgeschichte: Über 100 Titel sind in seinem Verlag Peperoni Books erschienen. Da spielte eine fämiliäre Disposition eine große Rolle, denn immerhin war er wie Vater und Bruder gelernter Drucker*. Aber er war eben auch Fotograf und, das ist für die weitere Geschichte wichtig, ein an der Arbeit anderer Fotografen Interessierter. „Hannes“ weiterlesen
Da war noch was …
Genau für so etwas gibt es Veranstaltungen wie die «Rencontres de la photographie d’Arles»: Man kommt ins Gespräch mit Leuten, mit denen man (leider) vorher noch nicht zu tun hatte, und stellt verblüfft fest, dass man schon früher voneinander hätte wissen sollen. Zum Beispiel Angelika und Markus Hartmann von Hartmann Projects, die bei der Arbeit an Ausstellung und Katalog zur DDR-Modezeitschrift «Sibylle» auf ein kleines Seitenthema gestoßen sind: 1987 brachte der französische Kulturattaché in Ostberlin zwei Strickjacken von agnès b. aus Paris mit und ließ sie unter den ostberliner Fotografen kreisen, damit sie damit Fotos machen. Als Markus erwähnte, dass nicht alle der beteiligten Fotografen bekannt wären, konnte ich mich stolz outen: Auch ich hatte, zusammen mit meinem Kommilitonen Uwe Hauth (ich studierte damals noch), die Jacken für einen Nachmittag.
Die «Sibylle» brachte 1988 einen großen Beitrag mit vielen der dabei entstandenen Bilder; unter anderem von Gundula Schulze, Maria Sewcz oder Stephan Gustavus – meine liegen aber wie die von vielen anderen Beteiligten unpubliziert seit über 30 Jahren im Archiv.